top of page
Die Klaviernoten
Durch den Türspalt des Salons sahen wir die kleine Mathilde in ihrem Blümchenkleid nur von hinten. Eine grosse Doppelschlaufe bebte wie Schmetterlingsflügel weit über ihren schmalen Rücken hinaus. Aus ihrem zart verstimmten Bösendorfer schallten die Etüden von Muzio Clementi und Carl Czerny durch die Gänge. An ihren Auftritten, zu denen Freunde und Verwandte in ihren Calèchen von weit her kamen, eroberte Mathilde mit Jacques Offenbachs «Chanson d’Olympia» und derlei Sachen eben die Herzen der Gäste. Ihr Mädchentraum, Konzertpianistin zu werden, scheiterte an Mathildes erstem Konzertabend in Luxemburg an der Chance auf eine gute Partie. Eine sehr gute Partie sogar.
Ein Neffe des Grossherzogs liess seine junge Frau in Paris Komposition studieren. Ihre impressionistische Kammermusik steht diesen November im Konzerthaus Berlin auf dem Programm. Die Noten im Salon hat Mathilde nie abgeholt.
Text: Markus Maeder
bottom of page